Tierschutzhund vs. Hunde vom Züchter
Eines vorweg – bei diesem Artikel geht es nicht um Attribute der Wertigkeit wie „besser“ oder „schlechter“, vielmehr möchte ich Denkanstöße geben, die einem ggf. als Entscheidungshilfen dienen, wenn man sich gerne einen Hund anschaffen möchte.
Wir hatten bereits drei Hunde aus dem Tierschutz. Waren sie eine Bereicherung? Ganz klar JA, war es immer einfach, ganz klar NEIN. Da es sich bei Hunden aus dem Tierschutz meist um Mischlinge handelt, kann nicht vorhergesagt werden, wie sich das Temperament gestalten wird, welche Veranlagung sie haben oder wie groß/wie schwer sie mal werden. Hier ist es sicherlich sinnvoll, sich die Hunde aus der jeweiligen Region genauer anzusehen um herauszufinden, was die so für Eigenschaften mit sich bringen. Das kann einem sicherlich gute Anhaltspunkte geben, damit man sein künftiges Familienmitglied besser einschätzen kann.
Beliebte Hunde aus dem Ausland sind Podencos, Galgos aber auch sonstige Jagdhundmischlinge. Es sind tolle Hunde, keine Frage, aber die hohe jagdliche Motivation ist nicht zu unterschätzen, vor allem wenn die Hunde schon älter sind und ggf. auch aktiv zur Jagd verwendet wurden. Ein sicheres Ableinen des Hundes ist nur nach sehr intensivem Training möglich oder auch niemals, damit muss man sich auseinandersetzen. Ich kann mich noch gut an gewisse Waldspaziergänge mit unserem Dino erinnern – er war ein Podenco/Pointer Mix und sein Puls ging beim reinen Anblick von Wald schon auf 300. Er strangulierte sich fast an der Leine und war nicht mehr ansprechbar. Es folgten sehr viele Wochen, wo ich nur in „Waldnähe“ mit ihm trainiert habe. Hauptsächlich Blickkontakt und kein Zug auf der Leine. Erst als das sicher abrufbar war, gingen wir mal ein paar Meter in den Wald, auch hier folgten viele Wochen bis ich auch da seine Aufmerksamkeit hatte. Es war ein laaanger Weg, aber er hat sich gelohnt und am Ende konnten mein Mann und ich zusammen mit unseren zwei Podencos durch den Wald biken ohne die Hunde anleinen zu müssen. Darauf sind wir wirklich sehr stolz. ABER ich bin mir absolut sicher, dass wir das nur geschafft hatten, weil wir einerseits sehr motiviert und fokussiert waren, andererseits aber auch noch keine Kinder hatten und wir uns ganz auf unsere Hunde einlassen konnten.
Unser dritter Hund Poghi kam auch wieder aus dem Tierschutz – ganz nach dem Motto „never change a running system“. Wir hatten ja genug Erfahrung (wie wir dachten :-)) und da er auch wieder aus Spanien kommen sollte, dachten wir, dass wir es wieder mit einem Jagdhund zu tun haben werden und damit kannten wir uns ja aus. Abgesehen von der Jagerei hatten unsere früheren Hunde keine Probleme und waren super lieb und immer mit dabei. Somit sahen wir hier überhaupt kein Problem darin, dies auch mit zwei Kindern meistern zu können. Schließlich war es ja auch nur mehr ein Hund und nicht zwei. Tja, das hatten wir uns so gedacht, aber die Rechnung ohne unseren Poghi gemacht. Er hat ziemlich viele Eigenschaften, die einen Hundehalter in den Wahnsinn treiben können: er hat Katzen zum „fressen“ gern, Hunde die uns beim Spaziergang entgegen kommen, werden mit Bellen und sich auf die Hinterpfoten stellen „begrüßt“ und wenn fremde Menschen ihn zu intensiv anschauen und dann ggf. noch so Sprüche von sich geben, wie „ach, der ist aber süss“, werden auch diese mit der gesamten Zahnreihe „angelächelt“ welches noch mit einem tiefen Knurren untermalt sein kann. Sein ausgeprägter Schutztrieb und starkes territoriales Verhalten lassen auch auf das ein oder andere Herdenschutzhundgen schließen, mit dem wir natürlich auch nicht gerechnet hatten.
Vier Jahre, einige Tränen der Verzweiflung und den ein oder anderen Hundetrainer später geht es uns gut mit ihm. Er ist mit uns und unseren Kindern wirklich super, hat einen tollen Grundgehorsam und seine Bindung an uns ist wirklich bemerkenswert. Aber wir haben uns von der Vorstellung verabschieden müssen, ihn immer und überall mit hinnehmen zu können, was uns manchmal noch traurig stimmt. Auch müssen wir ihn in vielen Situationen nach wie vor im Blick haben, da er offensiv reagieren kann, wenn wir nicht rechtzeitig erkennen, dass er sich in einer Situation nicht wohl fühlt. Das ist eine große und verantwortungsvolle Aufgabe, aber wir stellen uns ihr, jeden Tag aufs Neue. Er war die ersten wichtigen 4 Monate im Tierheim in Spanien. Dort hatte er nicht die Möglichkeit, viele unterschiedliche Menschen oder auch Tiere kennenzulernen und so wie Poghi geht es vielen Hunden, die aus dem Tierschutz kommen. Ganz geschweige von den vielen Hunden die zusätzlich dazu noch sehr negative Erfahrungen mit Menschen erlebt haben, weil sie geschlagen oder vernachlässigt wurden.
Ein weiterer Aspekt ist die oftmals schlechte Gesundheit der Tiere. Keine gezielte Verpaarung, keine Impfungen, schlechte Ernährung um nur einige Probleme zu benennen. Weiters gibt es im Ausland sehr viele Krankheiten, welche auch nicht gleich feststellbar sind und die darüber hinaus auch auf den Menschen übergehen können. Die bekanntesten Erkrankungen sind Leishmansiose, Babesiose, Dirofilariose und Tollwut. Wer mehr Informationen hierzu möchte, findet sie hier: www.esccap.org
Man muss bei einem Tierschutzhund oftmals mit höheren Folgekosten rechnen, seien es Kosten beim Tierarzt wegen div. Erkrankungen, Parasiten etc. aber auch Mehrkosten beim Hundetrainer wegen Verhaltensproblemen, die sich nicht über Nacht lösen lassen.
Doch wie sieht es nun mit einem Hund vom Züchter aus.
Wenn der Züchter einen guten Job gemacht hat und der Hund unter besten Bedingungen aufgewachsen ist, kann man davon ausgehen, dass viele Verhaltensprobleme wie übermäßige Ängstlichkeit oder auch Aggression nicht vorhanden sein werden. Der zukünftige Besitzer hat die Möglichkeit die Elterntiere kennenzulernen und kann dadurch treffende Rückschlüsse auf das Temperament und Größe/Aussehen des Hundes ziehen. Die Gesundheit ist natürlich auch ein sehr wichtiger Aspekt, welche bei einem Zuchthund viel eher gegeben ist als bei einem Hund aus dem Tierschutz. Das Angebot an vielfältigen DNA-Tests und das Wissen um gezielte Verpaarungen mit niedriger Inzucht, guten Werten usw. werden von Züchtern dankbar angenommen und eingesetzt. Die Abstimmungslinien sind nachvollziehbar und die Hunde haben alle notwendigen Papiere, Impfungen etc. Dies schlägt sich natürlich im Preis nieder. Ein Zuchthund kostet ein Vielfaches vom Tierschutzhund und das zurecht. Natürlich gilt auch beim Züchter „Augen auf beim Welpenkauf“. Der Züchter sollte einem Verband angehören und die Infos über Hunde/Verpaarung etc. transparent zur Verfügung stellen. Weiters müssen sämtliche Papiere in Ordnung sein, seien es die Abstammungsnachweise der Elterntiere/Großeltern, Gesundheitszeugnisse aber auch der Kaufvertrag. Ein guter Züchter sucht sich seine Käufer gezielt aus und steht ihnen auch über den Hundeverkauf hinaus mit Tipps und Erfahrung zur Seite.
Wenn Sie dennoch einen Tierschutzhund möchten, dann hier noch ein paar Tipps:
Suchen Sie sich eine kleine Tierschutzorganisation die den Hund am besten persönlich kennt und vorab bei einer Pflegestelle in Ihrer Nähe untergebracht hat. So haben Sie die Möglichkeit, den Hund erst einmal kennenzulernen, bevor Sie sich entscheiden, ihn zu übernehmen.
Suchen Sie sich bereits bevor Sie den Hund bekommen einen guten Hundetrainer, der Sie und Ihren Hund nicht nur mit Standardtrainings versorgt. Ein auf Sie und Ihren Vierbeiner abgestimmtes Programm ist entscheidend. Auch gibt es Trainer, die bei einem Tierschutzhund gleich mal die Augen verdrehen und das muss nicht sein.
Und noch was zum Schluss – es gibt sie nicht die „dankbaren“ Hunde aus dem Tierschutz. Wem es nur um die Dankbarkeit geht, wird hier nicht fündig und sollte lieber Geld spenden. Auch gibt es nicht den perfekten Hund vom Züchter, der quasi schon alles kann und man nichts mehr investieren muss. Auch finde ich dieses „Fingerpointing“ ganz schrecklich, wenn sich jemand einen Hund aus dem Tierschutz ODER vom Züchter holt. Niemand muss sich für den eingeschlagenen Weg rechtfertigen oder entschuldigen! Vielmehr ist es immer etwas Tolles, wenn man einem Tier ein Zuhause gibt, in dem es geliebt wird.
Ein Tier resp. einen Hund zu halten, bedeutet vor allem eines:
Vertrauen und Zuneigung schenken, auch wenn es mal nicht so läuft wie man sich das vorstellt und Raum zu schaffen um sich gemeinsam mit dem Tier weiterzuentwickeln und eine schöne Zeit zu haben!